Die Partisanen. Krieg hinter der Front, Kommentartext

0´06                 

„Wir sind Partisanen und haben auf deutsche Soldaten geschossen.“

 

0‘11‘‘               

Minsk, Weißrussland, 26. Oktober 1941.

 

0‘22‘‘               

Seit vier Monaten führt das Deutsche Reich Krieg gegen die Sowjetunion.

 

0’31                 

Sie haben nicht geschossen. Sie wollten Kriegsgefangene aus einem Lazarett schmuggeln.

 

0’39                 

Sie waren Fluchthelfer, das war ihr Verbrechen.

 

0’46                 

Die deutschen Besatzer machen Partisanen aus ihnen. Partisanen sind   auszurotten.

 

1‘04

Titel: Die Partisanen. Krieg hinter der Front

 

1’19                 

Dieser Mann war wirklich Partisan. Er lebt heute in einer Stadt in Weißrussland.

 

1’40          

O-Ton Spielfilm: „Für verbrannte Städte und Dörfer, für den Tod unserer Kinder und Mütter, für Folter und Demütigungen unseres Volkes schwöre ich, uns an dem Feind unerbittlich, gnadenlos und unermüdlich zu rächen. Blut für Blut, Tod für Tod“!

 

2’14                 

Schwur der Partisanen. Zivilisten mit Gewehr. Irreguläre Kämpfer. In ihnen soll sich das ganze Sowjet-Volk verkörpern: Alt und Jung, Arbeiter und Intelligenzler, Männer und Frauen. Angeführt von einem Parteisekretär. Der Film von 1942 beschwört den Partisanenkrieg, zu dem Stalin nach dem deutschen Überfall aufrief. Ein Krieg der Bilder von Anfang an: 22. Juni 1941, frühmorgens am Fluß Bug bei Brest: die ersten Aufnahmen vom „Unternehmen Barbarossa“ – dem Überfall auf die Sowjetunion.

 

2’48          

Hier ist meine Bescheinigung. Perednja Iwan Michajlowitsch, geboren 1924, wird geführt als Partisan in der Einheit Nr. 5 der Partisanenbrigade „Shelesnjak“ im Minsker Gebiet in der Zeit vom 17. November 1942 bis zum 12. Juli 1944.“

 

3’48                 

Die Rote Armee scheint wie im Schlaf überrascht. Viele der gefangenen Soldaten haben es nicht einmal geschafft, ihre Uniformen anzuziehen.

 

4’02                 

An diesem Tag dachte jeder: Dieser Krieg, dieser Blitzkrieg, ist schon entschieden.

 

4’20          

O-Ton Iwan Perednja: „Wir sahen kaum deutsche Infanterie, beinahe nur Panzerverbände. Dann kamen die nachrückenden Einheiten. Das waren meist ältere Soldaten. Auf unseren Hof kam so ein älterer Deutscher, der schon im Ersten Weltkrieg in dieser Gegend gewesen war. Seine jüngeren Kameraden riefen: ‚Moskau kaputt, Russland kaputt, Sowjets kaputt!‘ Aber er sagte leise: ‚Wir werden die Russen nicht besiegen, obwohl wir jetzt „kaputt“ rufen. Wir siegen nicht.‘ Alle wunderten sich, daß er so sprach. Aber er sollte Recht behalten.“

 

5’18                 

„Ein Traum, der sich erfüllen wird“, so heißt dieser Kurzfilm, der Anfang August 1941 in die sowjetischen Kinos kam. Er erinnert an den Volkskrieg gegen Napoleon 1812. Der Große Bonaparte warnt den kleinen Gefreiten.

 

5’35          

(Napoleon) „Sie! Hören Sie mir zu! Man müsste Sie auspeitschen wie einen Jungen. Sie sind so dumm, meine Fehler zu wiederholen.

(Hitler:) „Meine Offiziere, meine Generäle…“

(Napoleon:) „Ihre Generäle… Kennen Sie das russische Volk? Kennen Sie Baba Wassilissa?“                            

(Hitler:) „Ba-b-ba-ba… Das ist ein russischer Bomber?!“.      

(Napoleon:) „Das ist ein einfaches russisches Weib, die Dorfälteste, die im Jahr 1812 meine Grenadiere gefangen genommen hat. Meine Grenadiere!“

 

6’40                 

Schon am 7. Tag hatten die Deutschen Minsk erobert, die Hauptstadt der Sowjetrepublik Weißrußland.

 

6’57                 

Auf den Stufen des Regierungsgebäudes.

 

7’03                 

Ein endloser Zug von Kriegsgefangenen.

 

7’11                 

Fotos aus dem Album eines Wehrmachtssoldaten. Er sah die Eroberten mal freundlich, mal mit Mitleid – immer mit dem Gefühl großer Überlegenheit. 

 

7’33                 

Millionen Menschen lebten in den eroberten Gebieten. Was stand ihnen bevor? Wer waren sie überhaupt? Slawische Untermenschen? Stiefelputzer? Mitstreiter? Befreite?

 

7’45                 

Nach dem Krieg werden sie alle unter dem Verdacht stehen, mit dem Feind kollaboriert zu haben.

 

8’22                 

Diese Szenen sind nicht gestellt…

 

8’28                 

…es gab wirklich Jubel, mögen auch die Kameraleute der Wochenschau ein wenig nachgeholfen haben.

 

8’45                 

„Im Raume von Smolensk“ – d. h. in Russland selbst. Nicht nur im Baltikum, wo man alles andere als freiwillig der Sowjetunion angehörte, nicht in Weißrussland und der Ukraine, wo die Mehrheit der Bevölkerung kein Russisch sprach. Nein, hier begrüßen russische Bauern die Eroberer ihres Landes. Sie hatten viel erlitten unter kommunistischer Herrschaft und glaubten, es könne nur besser werden.

 

9‘19          

O-Ton Nina Perednja
„Wir hatten große Angst vor den Deutschen, und alle im Dorf versteckten sich. Auf dem Heuboden, in der Scheune – jeder wie er konnte. Aber sie kamen so leise, so ruhig, so höflich ins Dorf… Und da trauten wir uns aus unseren Verstecken auf die Strasse. Die Deutschen kamen in die Häuser und baten um Essen. Man gab ihnen, was man so hatte. Sie taten niemandem was. Und dann zogen sie weiter, als sei nichts gewesen. Im Dorf haben wir keinen einzigen Schuss gehört. Aber diese Ruhe dauerte nicht lang, denn bald kamen die Partisanen. Und als sie kamen, mussten die Deutschen handeln“.

 

10’31               

Das Minsker Regierungsgebäude ist jetzt das HQ der SS in Weißrussland?

 

10’38               

Wo die Kriegsfront durchgezogen ist, rücken Heinrich Himmlers Einsatzgruppen nach.

 

10’46               

Seine Polizeibataillone und Sonderkommandos gehen auf die Suche nach Juden, Kommunisten und „Banditen“. „Banditen“ – so nennen sie die Partisanen. Sie lauerten geradezu auf die Partisanen. Einen Monat zuvor hat Hitler gesagt: „Dieser Partisanen-Krieg hat auch wieder seinen Vorteil: er gibt uns die Möglichkeit, auszurotten, was sich gegen uns stellt.“ Aber es gab noch gar keinen Partisanen-Krieg. Nur den Aufruf Stalins.

 

11’04               

Mitte August 41 ist Heinrich Himmler in Weißrussland.

 

11’11               

Will sich ein Bild der Lage verschaffen. Vernimmt die Einheimischen höchstselbst.

11’20               

 

„Achten Sie darauf, dass diese Untermenschen Sie immer ansehen, immer dem Vorgesetzten ins Auge sehen müssen. Das ist wie beim Tier.“ – So sagte er es später einmal. oder: So redete er. streichen

 

11’36               

Mit Himmler kam die Angst vor den Deutschen. Er besucht ein Kriegsgefangenenlager.

 

11’48               

Von den Gefangenen im Stalag 352 sahen nur 50 das Ende des Kriegs. Alle anderen gingen in der Gefangenschaft zugrunde. Man ließ sie einfach umkommen. Durch Hunger und Krankheiten.

 

12’03               

Für Moskau sind alle Kriegsgefangenen Verräter, allein weil sie es zuließen, lebend in die Hände des Feinds zu fallen.

 

12’12               

Wer überleben will, dem bleibt nur, was Stalin sowieso unterstellt: die Kollaboration mit den Deutschen. Wenigen gelingt es zu fliehen. Gemeinsam mit versprengten Rotarmisten bilden sie erste Partisanengruppen.

 

12’36        

O-Ton Aleksej Kawko: „Unser Dorf liegt am Fluss Beresina. Und dort versuchten Einheiten der Roten Armee die Faschisten aufzuhalten. Es kam zu einem kurzen, aber erbitterten Kampf. Auf dem Schlachtfeld blieben viele Waffen liegen. Und wir, junge Komsomolzen aus dem Dorf, sammelten nachts die Waffen und die Munition ein und versteckten sie, ohne zu wissen wozu.  Ich versteckte ein Gewehr im Stroh – und eine Kiste voller Munition hinter dem Holzstapel. Es wäre falsch, zu behaupten, dass wir uns schon auf den Partisanenkampf vorbereitet hätten. Damals wussten wir noch nicht, wie das alles endet.“

 

13’53               

Nicht Volkswiderstand, nicht Partisanen, nicht Baba Wassilissa, die Dorfälteste, stören den Vormarsch der Wehrmacht 1941.

ARD-Fassung: Nicht Volkswiderstand, noch Partisanen stören den Vormarsch der Wehrmacht 1941.

 

14’03               

Ihr mächtigster Feind ist die Natur. Hitlers Krieger bleiben im Schlamm stecken. Und dann, über Nacht, kommt der Frost. Moskau wird nicht erreicht.

 

14’18               

In dieser Zeit erläßt Stalin einen Befehl: Alle Ortschaften im frontnahen Hinterland der deutschen Truppen sind niederzubrennen. Damit der Feind keine Unterkunft findet. Die Deutschen sprachen vom „Fackelmänner-Befehl“.

 

14’45               

Geburtsstätte eines Mythos. Petrischtschewo, hundert Kilometer vom Moskauer Kreml. Hier starb Soja. Sie war Soldatin und gehörte einem Kommando an, das Stalins Befehl ausführte. Da sie dabei Zivil trug, war sie Partisanin. Soja Kosmodemjanskaja war 18 Jahre alt. Ende November 1941 zündete sie hier in Petrischtschewo zwei Häuser an.

Szene aus dem sowjetischen Spielfilm „Soja“.

 

15’33               

Er entstand noch im Krieg, 1944

 

16’29               

In Wahrheit waren es nicht die Deutschen, die sie ergriffen.

 

16’35               

Die Dorfbewohner lieferten Soja aus. Sie wollten nicht vor den verkohlten Ruinen ihrer Häuser stehen – am Anfang eines harten Winters. Deshalb hielten sie Wache.

 

16’47               

Soja wurde auf dem Dorfplatz erhängt, und zur Abschreckung blieb ihre Leiche fast einen Monat hängen und wurde erst dann verscharrt. Nachdem die Deutschen Ende Januar 1942 abgezogen waren, kam ein sowjetischer Fotograf ins Dorf, grub sie aus und machte dieses Bild.

 

17’06               

Soja Kosmodemjanskaja, die erste Heldin der Sowjetunion im Krieg.

 

17’15                        

Später fand man bei Wehrmachtsangehörigen auch Fotos der Hinrichtung.

 

17’25                        

Stalin, der die Macht dieser Bilder sofort erkannte, ließ sie veröffentlichen. U. a. in dieser Frontzeitung, Februar 1943.

 

17’48               

“Soja, wir werden Dich rächen!“.

 

18’03               

In der Propaganda wird Soja zur sowjetischen Jeanne d’Arc. 

 

18’06               

Die Dorfbewohner schauen voll Mitleid zu – sie sind keine Verräter. Nichts kann das Volk und Soja trennen, auch der Tod nicht. 

 

18’21               

In Wahrheit werden einige von ihnen später für den Verrat erschossen.

 

18’27        

Spielfilm „Soja“:
Warum seid Ihr so traurig, warum schaut Ihr so kummervoll drein? Meine Lieben, es wird alles gut. Ganz bestimmt! Und ich habe keine Angst vor dem Tod. Es ist ein Glück, für das eigene Volk zu sterben, für das eigene Land, für die Wahrheit. Genossen, seid mutig, bekämpft die Feinde, schlagt, brennt nieder, vernichtet die Faschisten. Wir werden auf jeden Fall siegen! Denkt daran: Wir sind 200 Millionen. Lebt wohl, Genossen!“

 

19’20               

Alexandra Fedulina war damals sechzehn. Sie gehörte zum selben Trupp wie SojaSondereinheit 9903. Eine geheime Einheit des Jugendverbands Komsomol. Becher mit dem Konterfei berühmter Partisanenführer erinnern sie an ihre Jugend im Krieg.

 

19’50        

O-Ton Alexandra Frolowa-Fedulina: „Unsere Gruppe wurde fast vollständig aufgerieben. Um 9 Uhr morgens wurden wir zerschlagen. Ich wurde schwer verwundet. Am Bein. Sehr schwer. Rotarmisten fanden mich und packten mich auf einen Schlitten. Ich wurde mit der Eisenbahn abtransportiert, und der Zug wurde bombardiert. Ich wusste noch nicht, was mit Soja geschehen war. War sie am Leben oder nicht? Wir wurden so zerschlagen, dass wir gar nichts mehr wussten. Dann kam ich in ein Lazarett nach Kasan. Und dort las ich in der Zeitung, dass eine Tanja ums Leben gekommen war. Tanja. Da wusste ich sofort Bescheid, denn Tanja war der Deckname von Soja Kosmodemjanskaja“.

 

20’39               

Alexandra Fedulinas Kameraden. Auch sie so um die 16. Erhängt in Wolokolamsk bei Moskau. Als die Rote Armee den Ort zurückeroberte, hingen sie seit 45 Tagen. Man ließ sie noch etwas hängen – für die Kamera.

 

21´03        

O-Ton Alexandra Frolowa-Fedulina: „Wir lernten unter anderem mit Magnetbomben umzugehen. Wie man damit einen Mast sprengt oder einen Waggon. Die Ausbildung dauerte nur 3 Tage. Soja hat mir Filzstiefel gebracht, eine wattierte Hose und Jacke. Ich bekam einen Revolver vom Typ Nagant. Und die Jungs waren mit ganz vielen Brandflaschen behängt. Wir Mädchen bekamen Säcke voller Nägel. So fuhr man uns zum ersten Einsatz – der aber zweimal abgebrochen wurde. Da war ich noch mit Soja zusammen. Der Befehl kam von der Militäraufklärung. Um 5 Uhr morgens sollten wir die Nägel auf die Landstrasse streuen, um die deutschen Autos, die Vorhut, zu stoppen. Die Jungs sollten dann ihre Brandflaschen auf die nachrückenden Panzer werfen. Soja hatte bei uns das Sagen, sie war irgendwie gebildeter, und etwas älter. Sogar die Jungs hörten auf sie. Und wir ordneten uns ihr unter. Wir Mädchen sahen zu ihr auf, weiß Gott wie. Sie war fröhlich und versuchte, uns mit ihren Scherzen die Angst zu nehmen: „Das ist hier nur der Anfang, wenn erst der Frühling kommt, geht es richtig los!“ Sie fiel bei ihrem dritten Einsatz“.

 

22’47               

All die jugendlichen Saboteure wurden später zu Helden. Wenn sie umgekommen waren. Alexandra Fedulina nicht. Sie blieb eine einfache Frau. Keine Heldin. Weil sie überlebte.

 

23’08               

Eine Frau geht voran, das ganze Dorf folgt. Eine Beschwörung der Baba Wassilissa, von der Napoleon sprach. „Sie verteidigt die Heimat“, 1942 gedreht. Die Volkserhebung, die hier vorgespielt wird, gab es nicht. In Wirklichkeit folgte das Dorf nicht.

 

23.48               

Weißrußland Spätsommer 1941. Die ersten Aufnahmen aus einem Partisanenlager. Waffenausgabe mit bürokratischem Protokoll. Viele hier waren Parteifunktionäre oder Jugendaktivisten und hatten keine Ahnung, wie man schießt, eine Handgranate zündet oder einen Sprengsatz scharfmacht. Die untere Ebene der Sowjetmacht. In ihren Ortschaften konnten sie nicht bleiben, nach Moskau nicht fliehen. Die meisten tragen Anzüge. Keine Bauern darunter.

 

24’24               

Ungestellte Bilder wie diese sind selten.

 

24‘29               

Was wurde aus diesen Leuten, wenn der Winter kam? Sie waren dafür nicht ausgerüstet, das Leben in den Wäldern nicht gewöhnt. Eigentlich wollten sie gar nicht kämpfen, nur überleben.

 

25’28               

Viele Partisaneneinheiten überstanden den ersten Winter nicht.

 

24’43               

Lebensmittel wurden auf den Dörfern requiriert, d. h. notfalls mit Gewalt eingetrieben.

 

24’52               

Das Laden eines Nagant-Revolvers – Waffenkunde für Anfänger. Gelehrt von NKWD-Leuten.

 

25’09               

Stolz mit der Flinte: Ein Kinderpartisan.

 

25’23               

Es dauerte fast ein Jahr, ehe Stalin begann, Kontrolle über die versprengten Gruppen zu übernehmen. Er wollte ihnen politische Zügel anlegen und sie in den Kampf treiben. Ende Mai 1942 wurde der Zentralstab der Partisanenbewegung in Moskau gebildet. Von dort kamen Funkgeräte und Kommissare.

 

26’04               

Partisanen hängen eine Frau. Für den Verrat an der Heimat. So steht es auf dem Schild, das ihr angeheftet wird. Worin wird der Verrat bestanden haben? Hat sie den Deutschen gedient, auf einer Stube gearbeitet? War sie eine Bäuerin, die einen Sack Kartoffeln vor den Partisanen versteckte oder ihren Sohn?

 

26’27               

Für den Verrat an der Heimat. Ein Hilfspolizist, Bürgermeister oder Dolmetscher?

 

26’34               

Als sei der Krieg der Partisanen weniger ein Krieg gegen die Besatzer, denn gegen das eigene Volk gewesen. Man spürt Stalins Atem: Überall Verräter und Feinde.

 

26’46               

Irgendwo in Wolhynien, der westlichen Ukraine.

 

26’53               

Hier hatten die Partisanen viele Feinde. Es gab sogar Bürgerwehren, die sich gegen sie stellten. Hat der junge Mann hier dazugehört? Standgericht. Förmliche Verlesung des Urteils und Applaus.

 

27’15               

Die Hinrichtung wird für die Kamera wiederholt.

 

27‘27        

O-Ton Semjon Schkolnikow: „Ich war dreimal bei den Partisanen. Dreimal. Kein anderer war dreimal bei den Partisanen“.

 

27’35               

1942 wurde der Frontkameramann Semjon Schkolnikow hinter der feindlichen Linie abgesetzt, um einen Partisanenüberfall auf einen deutschen Transportzug zu filmen. Hier seine Bilder.

 

27’51        

O-Ton Semjon Schkolnikow: „Ich hatte vielleicht 7 oder 8 Meter gedreht, als der Zug zum Stehen kam. Die Deutschen fingen an, uns zu beschießen. Ich versteckte mich hinter einem dicken Baum. Die Schießerei war zu Ende. Unsere Leute rannten los. Ich fing an, sie von hinten zu filmen. Sie rannten zum Zug. Ich lief ihnen nach, warf mich hin und filmte alles, was um mich herum geschah. Die Deutschen ergriffen die Flucht, als sie sahen, dass wir zahlreicher waren als sie. Es gab da einen Tankwagen mit der Aufschrift „Shell“. Ich sah einen MG-Schützen laufen und sagte: ‚Hör mal, ich mache meine Kamera an. Wenn du das Surren hörst, schießt Du!‘ Und das tat er. Unsere Leute fingen an, die Waggons zu entladen und nahmen alles mit. Säcke mit Brot, Wurst, Zucker. Dann kam mein Kollege Bykow angelaufen. Ich sagte: ‚Kolja, mach von mir ein Bild‘. Er hat mich gedreht. 4 Meter Film. Und ich habe ihn gedreht. Ich würde mal so sagen: Niemand hat je von Gefahr gesprochen. Wir wussten nur das eine: Wir mussten drehen, drehen, drehen.

 

30’20        

(OFF) „Die Partisaneneinheit der Brüder Ignatow errang nie verblühenden Ruhm.

 

30’25        

Die Deutschen schicken einen Transportzug nach dem anderem an die Front. Aber der Zug kommt nicht durch. Dafür werden die Partisanen sorgen – vor allen ihr Führer Ignatow selbst.“

 

30’41               

„Volksrächer“, ein Dokumentarfilm von 1943. Für ihn wurde Material unterschiedlicher Herkunft zusammengeschnitten. Auch das von Schkolnikow.

 

30’53               

Die Brüder Ignatow operierten in Südrussland und fielen auch dort. Die meisten Bilder hier sind gestellt. Bahngleise wurden in der Regel nachts gesprengt.

 

31’19               

Die Partisanen glaubten, Shell – das sei eine deutsche Firma. Und Schkolnikow hoffte, der Tankwagen würde explodieren. Es wäre ein großes Bild gewesen. Das Bild des Schienenkriegs schlechthin.

 

31’50               

„Schienenkrieg“ – so hießen die Angriffe auf Bahngleise, mit denen die Partisanen den deutschen Nachschub an die Front störten – wenn auch immer nur für kurze Zeit.

 

32’10               

Die Deutschen fuhren schweres Gerät auf – militärisch und propagandistisch.

 

32’20               

Auch Alexandra Fedulina ist jetzt bei den „Banden“ in den Wäldern.

 

32’28        

O-Ton Alexandra Frolowa-Fedulina: „Wenn man eine Mine einfach so legt und weggeht, wird sie entdeckt. Von Spürhunden erschnüffelt. Oder von Dorfbewohnern gefunden, die von den Deutschen geschickt werden. Wenn sie nicht gehen, drohen die Deutschen ihr Dorf niederzubrennen. Deshalb muss man dabeibleiben. Man nimmt eine lange Schnur. Ich sitze und rolle sie von einem Holzstock ab. So wird sie bis zum Gleis gezogen. Die Männer legen die Mine, stecken die Sprengkapsel rein und kriechen zur mir. Erst läßt man die Lok vorüberfahren, in ihr sitzen zwei Deutsche, die den russischen Lokführer bewachen. Nach dem dritten Waggon muss man an der Schnur ziehen. Sieben oder neun Waggons springen dann aus dem Gleis. Man zieht, und die Schienen scheinen dir nur so um die Ohren zu fliegen.

 

33‘30        

„Allerliebstes Bäumchen! Gestern Abend sind wir in Klyastizi angekommen. Wir sind hier als Brückenwache mit einigen Kameraden eingesetzt. Hier werden wir auch bleiben. Wir leben in einem Blockhaus, das von Stacheldrahtraum umgeben ist. Ich komme mir vor wie in Alaska. Gefahr besteht hier nicht. Die Gegend ist sehr, sehr einsam.“

 

33’53               

So schreibt der Gefreite Hermann Blumenthal an seine Frau Maria am 15. April 1942.

 

34’14               

Hier, an der Bahnlinie Polozk – Newel, stand das Blockhaus der deutschen Brückenwache. Die Reste seines Fundaments.

 

34’30        

„…Ich habe hier einen jungen Burschen kennengelernt, besser gesagt, gefunden. Er ist vielleicht ein 18jähriger Russe. Ich könnte ihn gut für meinen Florentiner Mann gebrauchen. Er hat eine ähnliche Figur. Ich möchte ihn am liebsten mit nach Berlin nehmen. Er ist ein Prachtkerl…“

 

34’50               

Hermann Blumental war Bildhauer. Aber kein Staatskünstler, dem die Front erspart geblieben wäre.

 

35’00        

„Butter gibt es hier kaum. Ich will mein möglichstes versuchen. Die Wachesteherei ist hier nicht gefährlich, aber dafür anstrengend. Die Partisanen vermeiden jeden offenen Kampf. Sie sprengen hin und wieder Bahnlinien, aber zu sehen bekommt man sie nicht. Ich wünschte mir, dass der ganze Schlamassel bald zu Ende wäre, und ich wieder mit der Arbeit beginnen kann. Ich werde etwas leisten. Ich spüre es. Mehr als Durchschnitt. Das Wetter ist hier jetzt ganz herrlich, aber ich möchte hier fort. Allerliebstes Wunderbäumchen, gleich beginnt meine Wache wieder. Hoffentlich habe ich Morgen mehr Zeit, Dir zu schreiben, d.h. mehr zu schreiben. Alles Liebe für dich. Ich bin immer bei Dir. Ich umarme dich und bin dein Strolch.“

 

35’58               

Das war sein letzter Brief. Tags darauf war der Gefreite Blumenthal tot. Erschossen auf dem Streifengang von Partisanen – bei Kilometer 412,7. Das Schreiben, das ihn vom Frontdienst freistellte, die Bescheinigung seiner Unabkömmlichkeit in der Heimat als Künstler von Rang, kam wenig später mit der Feldpost.

 

36’27               

Die Grabstätte nahe der Bahnstation Dretun. An die 50 Gräber zählte dieser kleine Soldatenfriedhof am Ende – letzte Ruhestätte gefallener deutscher Wachsoldaten. 

 

36’42               

Längst hat der Wald diesen Platz zurückerobert.

 

36’48               

Jemand hat ein Kreuz aus zwei Ästen aufgestellt.

 

36’56               

1987 wurde der Friedhof von Schatzgräbern durchwühlt.

 

37’07               

Ein rostiges Koppelschloss liegt da noch.

 

37‘43               

O-Ton: Die deutschen Großrazzien gegen die Partisanen hatten klangvolle Namen. „Adler“, „Erntefest“, „Maikäfer“, „Kormoran“. Sie alle fanden in Weißrußland statt, wo die Partisanen zahlreich waren und zu einer ständigen Gefahr für die Besatzer wurden. Hier finden Polizeieinheiten verlassene Erdhütten vor. Der Feind ist unsichtbar.

 

38’08               

Wenn die Partisanen entrinnen, müssen Zivilisten büßen. Man muß Erfolge melden. Am Ende brennt ein Dorf, ein angeblicher Schlupfwinkel…

 

38’37        

…und der Wochenschau-Kamera werden Bauern als Rädelsführer präsentiert. Arme Kerle, die nicht wissen, wie ihnen geschieht.

 

38’51               

Erich von dem Bach-Zelewski, SS-Obergruppenführer und General der Polizei. Er war Himmlers oberster Bandenbekämpfer. Sein Tagebuch.

 

39’05        

  1. d. Bach-Zelewski: „Endresultat des Unternehmens „Adler“: Feindverluste 1.381 Tote, 428 Gefangene… Eigene Verluste: 28 Tote, 2 Vermisste, 64 Verwundete…. Erhalte das Band zur Ostmedaille, den „Rollbahnorden“, wie der Soldatenmund ihn nennt.“

 

39’26               

Sein Mann fürs Grobe: Oskar Dirlewanger, Kommandeur einer SS-Sondereinheit.

 

39’35               

Sie brannte bei der Aktion „Adler“ Anfang August 1942 zwei kleine weißrussische Dörfer nieder und ermordete 140 Einwohner. Die Dörfer hießen Selez und Wjasen – an ihrer Stelle stehen heute Grabsteine. Zwei niedergebrannte Dörfer von 628, allein in Weißrussland.

 

39’56               

Diesem Mann galt die Aktion: Wladimir Nitschiporovitsch, Kommandeur des Partisanenverbandes „Klitschev“.

 

40‘10        

O-Ton Aleksej Kawko: „Er hat alle Partisanen aus der Umzingelung herausgeführt. Ohne Verluste. Über ihn wurde nur gut gesprochen. Er war streng, aber er schonte seine Leute und schickte sie nicht um jeden Preis ins Feuer. Es gab nur das Beste über ihn zu hören, als Mensch und Kommandeur.“

 

40’58               

Man sagt aber, daß jemand ihn in Moskau anschwärzte!

 

41’01        

„Ja… damals war es sehr schwer, darüber etwas zu erfahren. Aber es kursierten Gerüchte… Dass er zum General und zum Kommandeur einer Division bei Stalingrad befördert worden sei… Und dass er danach im GULAG endete… Aber posthum hat man ihn rehabilitiert“

 

41’35               

Oberst Nitschiporowitsch war ein versprengter Rotarmist. Er hielt seine Männer bei Disziplin. Das passte nicht jedem. Sein Kommissar meldete nach Moskau, es sei unklar, wo er den Winter 41 verbracht habe. Das genügte. Nitschiporovitsch wurde in die Hauptstadt beordert und starb im Januar 45 in Untersuchungshaft.

 

42’13               

Landeseigene Verbände – mehr als 1 Million bewaffneter Einheimischer im Dienst der Besatzer. Im Kampf gegen – wenn es hochkommt – 250000 Partisanen.

 

42’22               

Im April 1943 kamen sie auch in das Dorf von Nina Perednja.

 

42‘34        

O-Ton Nina Perednja: „Meine Schwester wohnte in einem guten Haus. Dazu gehörte eine große Scheune. Dort wurden alle hineingetrieben. Meine Oma war alt. Sie konnte nicht wie ich weglaufen. Sie blieb zu Hause, stand vor der Ikone und betete. Das waren hauptsächlich nicht Deutsche, sondern Polizei. Einheimische. Einer von der Polizei kam ins Haus und führte Oma ab – hinein in die Scheune, in die alle getrieben wurden. Die Deutschen hatten das Dorf umzingelt, und die Polizisten trieben im Dorf die Leute zusammen. Es gab genug Abtrünnige, die den Deutschen dienten. Sie trieben alle in die Scheune und brachten sie dort um. Dann wurde die Scheune in Brand gesteckt. Eine Frau blieb am Leben und kroch zur Seite. Sie hob den Kopf und sagte, wie sie uns später erzählte: „Lebt hier noch wer? Steht auf. Lasst uns gehen. Die sind schon weg.“ Aber es war nur das Röcheln zu hören. Der ganze Boden in der Scheune war mit Leichen bedeckt. Sie alle waren verbrannt. Als keine Schüsse mehr fielen, und die Soldaten abgezogen waren, kehrten wir aus unseren Verstecken ins Dorf zurück. Wir suchten unsere Verwandten. Aber wie sollte man da jemanden wiedererkennen? Ich fand einen Kamm aus Eisen, nein, nicht aus Eisen – aus Blech. Im Krieg gab es ja nichts anderes. Ich wusste: der gehört meiner Schwester. Als ich die Asche vom Schädel wischte, sah ich diesen Kamm – und die Hand, die Knöchelchen, und an dem Händchen der Ring. Der Ring war aus Gold; wir haben ihn geputzt, und meine andere Schwester hat ihn behalten“.

 

45’35               

„Wir fahren nach Deutschland“ – ein deutscher Propagandafilm zur Anwerbung von Fremdarbeitern – aus der Ukraine und aus Weißrußland. Gedreht 1943 in Kiew. Das Deutsche Reich, die Wirtschaft und Rüstungsindustrie brauchten Arbeitskräfte.

 

45’55               

Anfangs gingen viele noch freiwillig– vielleicht nicht ganz so fröhlich wie in diesem Film. Dann aber sprach sich herum, was einen in Deutschland erwartete. Sklavenarbeit. Also musste nachgeholfen werden.

 

46’14               

Eine Razzia in Minsk im April 1943. Sie trug den Codenamen „Zauberflöte“. Nach Mozarts Oper. Dieser Einsatz galt nicht nur Partisanen oder Saboteuren. Er diente auch der Verschleppung von Zwangsarbeitern.

 

46’36               

Einen größeren Gefallen hätten die Deutschen der Partisanenbewegung nicht tun können.

 

46’45               

Aus Angst vor der Deportation nach Deutschland flohen viele junge Leute in die Wälder. Feierliche Aufnahme mit Eid in einer Partisanen-Einheit. Auch Aleksej Kawko, der anfangs geschwankt hatte, wurde jetzt Partisan.

 

47’12        

O-Ton Aleksej Kawko: „Wir wollten unsere Familien nicht gefährden. Darum hatten wir uns folgendes ausgedacht: Die Burschen aus dem Nachbardorf kamen bei Nacht, gaben sich als Polizisten aus und taten so, als würden sie uns zum Arbeitseinsatz einziehen. Sie brachten uns aber in ihr Dorf. Wir übernachteten dort und in der nächsten Nacht ´verhafteten´ wir sie. Dann gingen wir alle zu den Partisanen in den Klitschew-Bezirk… in die Dörfer Slobodka, Golynka – dort stand unser 208. Partisanenregiment. Es war natürlich naiv, zu glauben, dass die Deutschen nicht herausfinden würden, wohin wir gegangen waren. Aber so hatten wir immerhin das Gefühl, es versucht zu haben, unsere Familien zu schützen.“

 

48’10               

Auf die Dächer sind sie gestiegen, in der alten russischen Stadt Pskow, um einer Parade zuzusehen. „Hitler, der Befreier“. 22. Juni 1943, die Besatzer feiern den zweiten Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion. Niemand scheint hier am Sieg zu zweifeln. Und das nach Stalingrad.

Hier paradiert die Ehrenkompanie der Brigade Radjonow. Gil-Radjonow ist eine zwielichtige Gestalt: Der ehemalige sowjetische Oberstleutnant kämpft als Kommandeur eines Bataillons von russischen Überläufern gemeinsam mit den Deutschen gegen die Partisanen.

 

48’50               

Zwei Monate später wechselt er wieder die Seiten. Die deutschen Angehörigen seiner Truppe werden aufgehängt. Die anderen laufen mit ihm über.

 

49’07

O-Ton Iwan Perednja: „Eines Tages kam von Gil-Radjonow ein Kurier mit dem Aufruf, dass wir zu ihm überlaufen sollten. Unser Kommandeur Titkóf hat ihm geantwortet: Nein, ihr tätet besser daran, zu uns überzulaufen. Er hat ihm die Lage deutlich geschildert: daß an unserem Sieg kein Zweifel mehr sei, daß der Feind zerschlagen werde.

 

49’24               

Das sind sie, Radionows Leute. Sie nennen sich jetzt „Erste antifaschistische Partisanenbrigade“. Zum Beweis ihrer Loyalität haben sie einen deutschen Stützpunkt und eine Bahnstation überfallen.

 

49’51               

Die Kamerafrau Maria Suchowa. Sie fiel wenig später.

 

50’05               

Gil-Rodionow als Partisanenführer. Die Sowjets lassen ihn kämpfen, weil sie ihn brauchen. Wo immer es brenzlig wird, müssen seine Leute vorangehen.

 

50’15               

Ein Gemälde zeigt Kommandeure und Kommissare der Partisanenrepublik Uschatschi, einem Gebiet in Weißrußland, das der Kontrolle der deutschen Besatzer völlig entglitten ist.

 

50’29               

In diesem Pantheon hat auch Gil-Rodionow seinen Platz. Aber einen Platz im Schatten. Was wäre ihm widerfahren, wenn er den Krieg überlebt hätte?

 

50’47               

Im April 1944 begann die Wehrmacht zusammen mit SS und Polizei das Unternehmen „Frühlingsfest“. Es war die größte und blutigste Partisanenschlacht des Kriegs. Es war auch die letzte. Mehr als 7000 Partisanen fielen, die toten Zivilisten hat keiner gezählt. Es waren 15000.

 

51’24               

Das Partisanendenkmal an der Stelle ihres Untergangs beschwört ein Heldentum, das sich nicht ganz mit der historischen Wirklichkeit deckt.

 

51’26               

Zwei Monate später eroberte die Rote Armee Minsk zurück. Ein Jahr später ist der Krieg vorbei. Nun gehen andere in die Wälder. Jetzt sind Sie die „Banditen“. Bis in die sechziger Jahre hat die Sowjetmacht mit ihnen zu tun.

 

51’43               

Doch das ist eine andere Geschichte.