Schätze Brandenburgs, Schloss Sanssouci, Kommentartext
10:00:41 In Preußen wachsen Trauben und Feigen.
00:45 Nicht überall, versteht sich, aber am Weinberg Friedrichs des Großen.
00:52 La vigne, Weinberg, so war der ursprüngliche Name; Sanssouci, Ohne Sorge,
hieß es erst später.
01:02 Ein Weinberg und ein Obstgarten, denn er liebte Obst, und in einem Weinberg
zu leben, fand er schön.
01:12 Friedrichs Sommerschlösschen Sanssouci ist heute die größte Attraktion
Potsdams. Preußens, wenn es das noch gäbe.
01:22 Es ist eigentlich das Herz Preußens.
01:27 Kein Vergleich mit Versailles, natürlich. Dort gibt es ca. 2000 Säle und Zimmer,
hier nur 11.
01:39 Dort hatte es einen „Sonnenkönig“ gegeben, und hier gab es einen
Landesherrn, der sich Philosoph nannte.
01:46 Friedrich hätte es nicht klüger anfangen können: Sanssouci war der ideale Ort
für einen aufgeklärten Herrscher.
01:56 Eine Windmühle stand hier schon, als der König zu bauen begann. Er fand, sie
sei dem Schloss eine Zierde, ließ sie stehen, und sie wurde zum Symbol seiner Volksnähe. Die Mühle gehört heute fest zum Bild des Alten Fritzen.
02:17 Sanssouci entstand nach den ersten beiden Schlesischen Kriegen, in die
Friedrich sich als junger König stürzte. Es ist das eigenwillige Gebäude eines
eigenwilligen Bauherren. Alles bestimmte er selbst. Er zeichnete nicht nur
gegen – wie hier – sondern entwarf selbst, wenigstens im Großen.
02:44 Ein Entwurf für einen Teil des Parks z. B., – von seiner Hand – sieht so aus. –
02:52 Und so im fertigen Plan.
03:01 Kummer bereitete dem Architekten Knobelsdorff die von Friedrich strikt
verlangte Ebenerdigkeit des Schlosses. Drei Stufen nur von innen nach außen;
es ist beinah barrierefrei. Dafür aber versinkt es geradezu hinter dem
Weinberg, anstatt ihn zu krönen.
03:20 Über das kleinste Detail dieses an bemerkenswerten Details reichen
Lustschlosses wird seit jeher gerätselt: Das Komma in seinem Namen.
03:40 Die meisten Theorien über das Komma – und auch den nachfolgenden Punkt – haben mit Geheimschriften zu tun, an denen Friedrich großes Interesse hatte.
03:52 Dinge geheim halten, seine Absichten und Pläne für sich behalten, das
entsprach seinem Wesen.
03:59 „Kann er schweigen?“ – soll Friedrich 1740 gefragt haben, als einem seiner Generäle schwante, „dass die Deichsel wohl nach Schlesien stehe“.
„Unbedingt!“ erwiderte der. „Ich auch,“ darauf der junge König.
04:16 Die Kunst der Tarnung und Verstellung hatte Friedrich wohl im Konflikt mit
seinem Vater erlernt. Friedrich Wilhelm I., der Soldatenkönig, hatte einst die
Todesstrafe für seinen Sohn gefordert, wegen Fahnenflucht, und ließ ihn
später ausspionieren, als sei er Staatsfeind und nicht Thronfolger.
04:36 Einer der zahlreichen Lösungsvorschläge für die Kommafrage bezieht sich auf diesen Vater-Sohn-Konflikt:
04:46 In einer Geheimschrift, der „geheimen Polizeischrift“ des Grafen von Vergennes,
der eine zeitlang französischer Außenminister war und mit Friedrich im
Briefwechsel stand, werden Satzzeichen hinter Namen gesetzt, um unbemerkt
die Religionszugehörigkeit des Trägers preiszugeben. Das Komma steht für
einen Calvinisten, der Punkt für einen Deisten. Also könnte es heißen:
Ohne den Calvinisten (der Soldatenkönig war ein streng frommer Mann) sorglos
als Deist.
05:28 Ein Deist ist jemand, der nicht glaubt, daß Gott wundertätig und ordnend in das Weltgeschehen eingreift, und ein Abgott dieser „Glaubensrichtung“ war
François Marie Arouet, Dichter, Philosoph, scharfzüngiger Spötter – der erste
Denker der europäischen Aufklärung, das hellste Licht seiner Epoche, Voltaire.
Als Kronprinz himmelte Friedrich ihn an, und als König lud er ihn auf sein
Schloss.
06:09 Legendär ist Friedrichs kleine, höchst bissige Tafelrunde, die er gewöhnlich
hier, im ovalen Marmorsaal, unter der Kuppel versammelte. Seiner Gemahlin
hatte er das Schloss Schönhausen bei Berlin zugewiesen, Friedrich der Große
zog es vor „sans femmes“, ohne Frauen in Sanssouci zu leben. Jedenfalls ohne
lebende Frauen.
06:33 Adolph Menzel, der Friedrich hundert Jahre später in zahllosen Bildern
verherrlichte, hielt auch die die Tafelrunde in einem vielgerühmten Gemälde
fest.
06:47 Wiederum hundert Jahre später, im Frühjahr 1945, verschwand es. Spurlos,
wie so vieles andere.
07:04 Voltaire blieb fast drei Jahre an Friedrichs Hof, und eines der vier Gästezimmer
– das eigentümlichste, seines Blumen- und Tierschmucks wegen – heißt heute Voltaire-Zimmer. Auch steht eine kleine Büste dort. Er hat dieses Zimmer aber
wohl nie bewohnt.
07:27 Sie trennten sich im Streit, leider. Es hatte mit höfischen Intrigen zu tun, mit Voltaires unangenehmen Geldgeschäften, Friedrichs immer zügelloser
werdenden Zynismen und – wie modern! – mit dem Urheberrecht. Voltaire hatte
bei seiner Abreise Gedichte Friedrichs mitgenommen und vermutlich vor, sie in
Frankreich auf eigene Rechnung zu publizieren.
08:05 An den Marmorsaal schließt, jenseits der Gästezimmer, die Königswohnung an; nach einem kleinen Audienzsaal betritt man das Konzertzimmer, das als einer
der schönsten Räume des friderizianischen Rokoko gilt.
08:26 Hinter Glas eine der Flöten Friedrich des Großen. Er spielte täglich.
08:36 Flöte spielen war eins der Dinge, die ihm sein Vater verboten hatte.
Lateinlernen auch.
08:48 Ganz Sanssouci ist wie eine Herausforderung des toten Soldatenkönigs. Das Gegenteil von Tabakkollegium, Bierhumpen und Sittenstrenge. Wie dem Alten
wohl das Teehaus gefallen hätte?
09:06 Welch eine Mode war doch die Chinoiserie! Während das Reich der Mitte sich
nicht im geringsten für Europa interessierte, schaute Europa begierig dorthin,
aber durch ein seltsames Fernglas. In ihm verschwammen die Sorglosigkeit des
Rokoko, die Überheblichkeit von Kolonialherren und eine rauschhafte
Bewunderung für das ferne Riesenreich.
09:35 Angeblich war dort alles besser, der Staat war vernünftiger eingerichtet; es herrschte eine China-Begeisterung damals. Beinahe wie im letzten Jahrhundert,
`68, während der Studentenrevolte. Und Voltaire gehörte zu den
Propagandisten dieses frühen China-Kults.
10:01 Das Teehaus entstand erst nach seiner Abreise. Auch Friedrich war damals
wenig zugegen. Der Siebenjährige Krieg hielt ihn fern. Die Maler und Bildhauer
hatten nie einen Chinesen gesehen, daher die europäischen Langnasen.
10:56 Glücklich wer hier aufwächst! Es gibt Menschen, die sagen: Was Schönheit ist, habe ich im Park von Sanssouci gelernt.
11:13 Wenn man die Enfilade, die Zimmerflucht der Königswohnung durchschreitet,
hat man immer den Sessel im Blick, in dem Friedrich, bei Lebzeiten schon „der
Große“, 1786 starb.
11:28 Nach einem Leben, das dann doch mehr vom Krieg geprägt war, als von den
Ideen der Aufklärung.
11:36 Er war mürrisch geworden und zog den Umgang mit seinen Hunden dem der Menschen vor.
11:43 Es ist, als seien die großen Hoffnungen, mit denen er sein Amt antrat, trotz
aller Siege und Erfolge, trotz allen Weltruhms, den er sehr begehrt hatte,
unerfüllt geblieben.
11:59 Auf diesem Bild ist ein Szene dargestellt, in der Friedrich dem Marquis d’Argens
den Ort zeigt, wo er einmal beerdigt sein will. Unter der Figurengruppe der
Flora, dem Sinnbild des blühenden Lebens, wo er auch seine Hunde bestatten
ließ, hatte er sich eine Gruft bauen lassen. „Quand je serai la“, sagte er, „ je
serai sans souci!“ – Wenn ich erst hier bin, werde ich ohne Sorgen sein.
12:26 Er ist erst seit 1991 hier. Sein Neffe und Nachfolger Friedrich Wilhelm II. jedoch,
der unter Friedrich keine ganz leichte Zeit gehabt hatte, verweigerte ihm den
letzten Willen und ließ ihn in der Garnisonkirche in Potsdam begraben. Neben
dem Vater.
12:51 Die Bronze des Betenden Knaben, eine antike Skulptur aus Rhodos, hatte
Friedrich so aufstellen lassen, dass er sie sah, wenn er von seinem Arbeitsplatz
in der Bibliothek aufschaute.
13:05 Werfen wir noch einen Blick in die Bibliothek. Ein Film ohne sie ist kein Film über Sanssouci.
13:17 Im äußersten Winkel des Schlosses gelegen und nur durch einen engen Gang
von Friedrichs Schlafzimmer aus zu erreichen, ist sie der privateste seiner
Räume.
13:32 Niemand außer ihm betrat ihn, und noch heute dürfen Touristen nur vom Gang
aus hineinschauen.
13:43 Hier war Friedrich der Große ganz, der er sein wollte: Philosoph unter
Philosophen.
14:04 Auf dem Deckel tragen alle Werke, die er sich in feines Ziegenleder hatte
binden lassen, ein „V“. Für vigne, Weinberg.
14:18 Denn „Weinberg“, das war doch der eigentliche Name des Schlosses, das wir
nur als Sanssouci, Ohne Sorge, kennen. // 14:26
Schätze Brandenburgs, Die Sacrower Heilandskirche, Kommentartext
10:00:38 Als Friedrich-Wilhelm IV. noch Kronprinz war, hatte er einen Traum.
00:52 Es war ein Traum, den viele träumten in seiner Zeit, vor allem in Deutschland,
und er hieß: Italien.
01:14 Die Befreiungskriege gegen Napoleons Armeen brachten ihn 1814 nach Paris,
und von dort nach England, aber nach Italien ließ ihn sein Vater nicht, der
König, während tausend andere dorthin reisten.
01:31 C’est moi – das bin ich. Die älteste erhaltene Zeichnung des späteren
Preußenkönigs. Da war er zehn. Friedrich Wilhelm zeichnete gern. Er zeichnete
bei jeder Gelegenheit und auf jedem Blatt Papier, das ihm unter die Hand kam.
Er zeichnete während wichtiger Beratungen, bei lebhaftem Gespräch und in
Abendgesellschaft. Manchmal malte er sogar in die Luft, und viele wunderten
sich darüber und warfen einander Blicke zu.
02:03 Der Kronprinz erklärte sich die Welt, indem er zeichnete.
02:10 Er zeichnete Italien, das er nie gesehen hatte. Und ein Schloss in der Höhe,
das er „Belriguardo“ nannte und „Mein Luftschloss“.
02:20 Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten verwahrt auf 3200 denkbar
unterschiedlichsten Blättern, Zetteln, Speisekarten 7000 Zeichnungen Friedrich
Wilhelm des Vierten.
02:50 Wer die Bilder der preußischen Herrscher ansieht, wird bei einem innehalten:
Friedrich Wilhelm IV. ist der erste Preußenkönig, von dem es ein Foto gibt. Eine
Daguerreotypie, aufgenommen 1842. Dies ist kein Herrscherbildnis mehr – ein
Mann in Galauniform.
03:16 Mit den Fotos kündigt sich die Moderne an. Und das Königtum hat seine
Selbstverständlichkeit verloren.
03:26 In das achte Jahr seiner Regierung fiel die Revolution von 1848. So hielt er fest,
was sie für ihn bedeutete:
03:39 Der Gestürzte, das ist er selbst. Er hat die Brücke nicht erreicht, über die er in
die ideale Landschaft hätte gehen können.
03:53 Friedrich-Wilhelm IV., der „Romantiker auf dem Thron“, der Monarch, der „mehr
Gemüth hatte, als der Staat vertragen kann“.
04:02 Seine Vorgänger hatten an der Havel ein preußisches Arkadien schaffen wollen,
ein Traumland.
04:17 Er war nicht der Typ, irgendetwas davon anzurühren. Aber hinzuzufügen. Kaum
war er König, 1840, kaufte er das Gut Sacrow.
04:30 „…aus der Umgebung von Berlin und Potsdam könnte ich nach und nach einen
Garten machen; ich kann vielleicht noch zwanzig Jahre leben, in solch einem
Zeitraum kann man schon etwas vor sich bringen.“ [Persius_tageb_11]
04:45 „Verschönerungsplan vom Park zu Sacrow“.
05:01 Aber der König liebte Sacrow nicht nur seiner Schönheit wegen.
05:09 Im Gutshaus hatte Friedrich de la Motte Fouqué, der romantische Dichter,
glückliche Jahre seiner Kindheit verbracht, und sollte man nicht etwa
annehmen, daß es dieser Ort war, zwischen Fluß und Seen, an dem ihm die
Seejungfrau Undine, die er berühmt machte und die ihn unsterblich machte,
erstmals erschien?
05:36 Der König wollte das Gutshaus für Fouqué, der sich nach Halle an der Saale
zurückgezogen hatte, herrichten lassen.
05:43 Ideallandschaft mit Dichter.
05:47 Fouqué zog auch wirklich nach Berlin zu einer Rückkehr nach Sacrow kam es
jedoch nicht. Er starb 1843, und nichts weist darauf hin, daß er den Ort seiner
Kindheit wiedersah. [s. FWIV, Künstler… 1995, S. 375]
06:03 Diese kleine, zarte Bleistiftzeichnung Friedrich Wilhelms gilt als erster
Entwurf zur Heilandskirche von Sacrow.
Ludwig Persius, des Königs Architekt, hielt am 9. November 1840 einen Auftrag
preußisch-knapp in seinem Tagebuch fest:
„Ankauf von Sacrow […] Die Kirche soll in italienischem Styl mit einem Campanile
daneben erbaut werden.“ [Tageb. S. 6]
06:28 Manche Kunsthistoriker neigen dazu, dem König sein Talent ein wenig
herunterzuschreiben und den bescheidenen Architekten mehr ins Licht zu
rücken.
06:38 Vermutlich haben sie recht. Der Fachmann Persius wird seinem Bauherren von
Gottes Gnaden so manches abgerungen haben.
Der Vorplatz mit seinen beiden halbrunden Erweiterungen korrespondiert mit
dem Gebäude der Kirche, die wie ein Schiff in die Havel ragtz und auf eichenen
Pfosten steht.
07:10 Sie ist ein ganz schlichtes Langhaus mit halbrunder Apsis. Durch den
umlaufenden offenen Säulengang aber wirkt sie wie eine dreischiffige Basilika.
07:26 Praktisch ist das nicht, wenngleich schön. Die Laune eines Königs eben.
07:53 Dies ist nicht einfach Nachahmung frühchristlicher Baukunst. Es ist eine
Anverwandlung an die preußische Tradition und ihre Bereicherung.
08:18 Campanile heißt Glockenturm. Nach italienischer Bauart steht er in Sacrow frei
auf dem Vorplatz.
08:30 Eine Gedenktafel erinnert daran, wie er einmal zweckentfremdet wurde:
08:38 Der Radiopioner Adolf Slaby, Professor für Elektrotechnik an der Technischen
Hochschule Charlottenburg, heute TU Berlin, baute hier 1897 die erste
Antennenanlage Deutschlands.
08:58 Ihre Funksignale wurden anderthalb Kilometer von hier, am Ufer der
Potsdamer Vorstadt empfangen.
09:15 Der Bau der Berliner Mauer 1961 hätte fast das Ende der Sacrower
Heilandskirche bedeutet.
09:27 Sie lag auf dem Gebiet der DDR, im Sperrgebiet, vom Westen sichtbar, aber
unerreichbar. Vom Osten sowieso. Der Stacheldraht, später die Mauer, verliefen
ja direkt hinter ihr.
09:42 Dennoch schlugen Vandalen den Innenraum zusammen. Sie kamen im Auftrag
der Partei, die niemals irrt.
10:00 Dreißig Jahre stand sie so, dem Verfall preisgegeben, und man gewöhnte sich
daran, wie man sich an viele seltsame Dinge gewöhnte. Am Ende brach nicht
sie zusammen, sondern die DDR.
10:24 Der Weihnachsgottesdienst, Heiligabend 1989, gehört zu den schönen
Momenten der deutschen Wiedervereinigung.
10:40 Heute kümmert sich ein Verein mit viel Hingabe um den Erhalt der Kirche; die
Sacrower Heilandskirche hat viele Freunde.
10:55 Es hat jedoch wohl schon so mancher, der sie betrat, …
… einen Anflug von Enttäuschung niederkämpfen müssen.
11:06 Weil alles so sauber und neu aussieht?
11:09 Oder weil die Nüchternheit in der protestantischen Kirche immer die Oberhand
behält?
11:17 Weil sie eben nicht dreischiffig ist, wie man meint, wenn man sich ihr nähert.
Sie war ganz auf ihre Außenwirkung angelegt, ein point de vue im preußischen
Arkadien. Eine richtige Dorfkirche war sie nie, und die Hingabe, mit der ihr zu
schmaler, zu hoher Innenraum gestaltet wurde, konnte nichts daran ändern.
11:38 Apsisgemälde von Carl Begas. Es ist al fresco gemalt, nach alter Tradition auf
den frischen Putz. Darum ist es so gut erhalten.
11:59 Die Sternchen unter dem Dach erinnern an Schinkels berühmtes Bühnenbild zur
Zauberflöte.
12:18 Etwas abseits steht eine steinerne Rundbank, eine Exedra.
12:26 Ob im Park von Sanssouci, am Ruinenberg, in Glienicke – immer wieder findet
man diese „Römischen Bänke“, sie sind Standardmobiliar im preußischen
Landschaftsgarten.
12:37 Ihr aller Vorbild steht in Pompeji, am Grabe der Priesterin Mamia.
12:45 Denn Friedrich Wilhelm reiste natürlich doch nach Italien. [Da war er aber schon
ein erwachsener Mann und verheiratet.]
12:53 Aus Pompeji schrieb er an seine Gattin: „Auf der gewissen Bank am Thor (über
die ich, wie Du weißt, schon lange den Verstand verloren habe) setzten wir uns
lange.“ [zit. Künstler u. König 139]
13:15 Die Sacrower Heilandskirche erlebte stürmischen Andrang, solange der König
sie allsonntäglich besuchte. Die höfische Gesellschaft kam mit dem Boot zum
Gottesdienst.
13:30 Er aber hatte längst anderes im Sinn:
13:38 Ein Brief, adressiert an „Seine Majestät, den König zu Berlin“, …
… bekritzelt und bemalt, wie jedes Blatt, das ihm unter die Hand kam. Darauf
der Entwurf zu einem neuen Bauprojekt, der Friedenskirche im Park von
Sanssouci./13:55
14:06 Der Architekt Persius starb darüber, seinem sakralen Hauptwerk. Der König
selbst, Friedrich Wilhelm der Vierte, Friedrich Wilhelm der Zeichner, fand hier
sein Grab.//14:18
Schätze Brandenburgs, Schloss Rheinsberg, Kommentartext
10:00:30 Fontane begann seinen Besuch Rheinsbergs im Ratskeller. Unter den
Kastanienbäumen vor dem Ratskeller. Es gibt ihn heute noch und er war auch
damals kein Keller, sondern eine Landgaststätte.
00:44 Fontane war angetan von dem guten Wein, der beschwingten Tischgesellschaft,
und die Besichtigung von Kirche, Schloss und Ort fiel entsprechend wohlgemut
aus. Nachzulesen in seinen „Wanderungen“.
00:57 Um 1880, 20 Jahre später, kam ein Engländer, Hamilton mit Namen, in die Stadt.
01:07 Er fand den Ratskeller schmierig, die Leute hier unsauber und nicht geheuer, er
schildert bedrückende Tischmanieren und versuchte, sich abseits zu halten.
01:24 Was uns angeht, wir sind keine Restaurantkritiker. Die Häuserzeile am
Triangelplatz ist nur Fassade, hintenrum alles Platte. Es verdirbt ein wenig die
Stimmung.
01:45 Die Kirche.
01:54 Betritt man sie durch den seitlichen Anbau, trifft man sogleich auf die ganz alten
Herren von Rheinsberg, die Bredows.
02:03 Sie treten einem als Grabsteine entgegen. Der kalte Hauch der Alten Zeit.
02:26 Hinzubestattet hat, ein paar hundert Jahre später, der Preußenprinz Heinrich,
Bruder Friedrichs des Großen, seinen Violinisten Pitscher… /02:33
02:36 … hinter einer Platte, die an eine Heizkörperverkleidung denken lässt.
02:42 Heinrich selbst hat dafür französische Verschen geschrieben: „Genie, d’Italie,
berceau, nouveau, flambeau, tombeau“. Kein Wort von Gott, natürlich.
02:59 Der Legende nach hatte der Teufel die Bredows aus dem Sack verloren, so
kamen sie ins Land. Zu fürstlicher Prachtentfaltung dürfte es wohl nie so recht
gekommen sein. Viel zu karg die Böden, und die zahlreichen Seen waren
angeblich zu Beginn des 17. Jahrhunderts bereits ausgefischt.
03:20 „Alle Besitzer Rheinsbergs, vom ersten bis zum letzten“, schrieb Andrew
Hamilton, „haben sich ihr Leben lang vergebens mit dem Problem abgemüht, ihr
Einkommen mit ihren Ausgaben in Einklang zu bringen.“
03:32 Man weiß übrigens gar nicht, wer dieser Andrew Hamilton war, der sich „Tourist“
nannte. Es gibt nichts von ihm, außer diesem Buch über Rheinsberg in zwei
Bänden, bei deren Lektüre man das Gefühl nicht los wird, dass sich hier jemand
hinter einem Pseudonym verbirgt.
03:51 Die Bredows verkauften Rheinsberg im Jahre 1618, gerade rechtzeitig, ehe die
Horden des Dreißigjährigen Kriegs alles zu verwüsten begannen. 1634 brennt
die Stadt nieder, 1638 kommt die Pest. Wie oft die Söldnerheere wüteten, ist
unbekannt.
04:14 Einmal floh der Geistliche mit den verbliebenen Bewohnern auf diese Insel, doch
auch dorthin wurden sie verfolgt und alle umgebracht.
04:27 Erstaunlich, dass immer wieder Menschen da waren, denen man neues Leid
zufügen konnte.
04:47 Schließlich wurde das entvölkerte Land mit französischen Protestanten,
Flüchtlingen besiedelt. Theodor Fontane, selbst Nachfahr von Hugenotten und
nicht weit von hier, in Neu-Ruppin geboren, schreibt von den Kolonisten, „die
berufen waren, ihre Loire-Heimat an dieser Stelle zu vergessen.“
05:21 Zurück in die Kirche. Auch im 18. Jahrhundert hatten Jungs Taschenmesser und
ritzten ihre Namen ins Geländer.
05:31 1737 erschien Friedrich Wilhelm I. unangekündigt im Gottesdienst. Der alte
Geistliche Johann Rossow erschrak so, dass er mit zitternder Stimme gerade
noch den Segen sprechen konnte. Und der König, der eine Predigt hatte hören
wollen, drohte ihm mit dem Stock. Schreibt Fontane. Und dass Rossow sich nicht
mehr erholt habe und an dem Schrecken gestorben sei.
06:00 So beliebt war der fromme Soldatenkönig.
06:09 Ob sich sein Sohn Friedrich, Kronprinz, über den Besuch des Alten so freute, wie
er vorgab? „Friderico tranquillitatem colenti“, – „Dem Friedrich, der der Ruhe
pflegt“ – die Inschrift über dem Tore soll Friedrich Wilhelm fürchterlich in Rage
gebracht haben. Müßiggang gehörte zu den Dingen, die er am wenigsten
verzieh. Und der Sohn schrieb ihn sich als Motto über sein Schloss.
06:36 „Wir amüsieren uns mit allerlei harmlosem Nichts und halten uns alles fern, was
uns das Leben unbehaglich machen und unser Vergnügen stören könnte.“
06:48 Hätte er gesagt: „Ich lese und schreibe ungemein viel, alles mit Blick auf meine
künftige Regentschaft“ – es wäre nicht weniger richtig gewesen.
07:02 Man könnte beinahe glauben, dass Friedrichs Rheinsberger Muße eher eine Art
Lauerstellung war. Eine heitere Tarnung seiner weitreichenden Ambitionen. Das
Versteckspiel, es passt in die Zeit und zum Charakter dieses künftigen
Potentaten, der niemandem je sein Herz öffnete.
07:49 Der Ballsaal, Schmuckstück des Rheinsberger Schlosses, wird restauriert. An
seiner Decke prangt ein stolzes Gemälde von Hofmaler Antoine Pesne. „Der
Morgen vertreibt die Nacht“. Jedermann verstand es als: Der leuchtende
Kronprinz vertreibt den finsteren Soldatenkönig; die Aufklärung tritt an die Stelle
des Pietismus, Heiterkeit an die der Frömmelei.
08:16 Als der Ballsaal fertig war, war Friedrich bereits König und hatte den
Rheinsberger Hof hinter sich gelassen. Bei erster Gelegenheit zog der
Aufgeklärte in den Krieg, gegen Österreich, dem er Schlesien entriß, und mit
diesem Überfall begann eine Epoche von Kriegen.
08:35 So enttäuschte der König die Erwartungen, die man in den Kronprinzen gesetzt
hatte. Preußen wurde kein Arkadien.
08:46 Wenn man das kleine Porträt des Kronprinzen genauer betrachtet, das sein
Baumeister und Weggefährte Knobelsdorff in der Rheinsberger Zeit malte,
erkennt man, daß Friedrich und die seinen schon früh wussten, wohin sein Weg
führte: ins Feldlager, in den Krieg.
09:12 Elisabeth Christine, die ihm von seinem Vater aufgezwungene Gattin. Entgegen
Friedrichs Neigung, sich nur mit geistreichen Männern zu umgeben, lebte er in
Rheinsberg mit ihr zusammen. Einmal schrieb er sogar, es könne sich ein
Thronfolger ankündigen. Wenn das nicht nur Verstellung war. Teil der Charade.
Elisabeth Christiness Bildnis zeigt eine begehrenswerte Frau, aber Friedrich soll
geweint haben, als er mit ihr die Ringe tauschte.
09:47 Wie ungerecht, dass sie es ausbaden musste! Sie blieb ungeschwängert,
ungeliebt, kritisch taxiert von Höflingen, wurde abgeschafft auf ihr Schloss
Schönhausen, war ein einziges Mal in Sanssouci, bezeichnete sich mit Dreißig als
Frau, deren Leben vorüber ist.
Bereits vor der Ehe hatte Friedrich gedroht, er werde die „verfluchte Prinzessin“
verstoßen, sobald er sein eigener Herr sei. Und nach den angeblich
harmonischen Jahren von Rheinsberg führte er diesen Vorsatz aus.
Prinzessinnen haben selten schöne Schicksale.
10:40 Der Konflikt zwischen Vater und Sohn gehört zu den großen Stories Preußens.
10:55 Friedrich Wilhelm I., der Soldatenkönig. Betrieb ein Tabakkollegium, gönnte sich
eine Garde „langer Kerls“, die er in ganz Europa teuer einkaufte, und unterhielt
eine gedrillte, schlagkräftige Armee, die er nie zum Einsatz brachte. „Betet zu
Gott,“ trug er seinem Sohn und Nachfolger auf, „und fanget niemals einen
ungerechten Krieg an.“
11:26 Nach Friedrichs Thronbesteigung zog sein Bruder Heinrich in Rheinsberg ein. Er
hat hier lange gelebt, sich alles anverwandelt, und eigentlich ist Rheinsberg ein
Heinrichsschloß. Wenn Friedrich hier gegen seinen Vater, den König, opponiert
hatte, so opponierte von nun an Heinrich gegen seinen Bruder, den König. Er
opponierte, dabei war er ihm so ähnlich. Er war ein ebensolcher Voltaire-Fan.
Und ebenso kalt gegen seine Gattin. Seine Geisteswelt war französisch, sein
Deutsch noch schlechter als das des Bruders. Er war ein kluger Feldherr,
vielleicht der beste seiner Epoche, und ein glänzender Diplomat. Als er einmal in
Paris war, sagte er:
12:07 „Während der einen Lebenshälfte wünschte ich, Paris zu sehen, während der
anderen werde ich mich dahin zurücksehnen.“
12:14 Ein schönes bonmot, eigentlich müssten die Franzosen ihn dafür mögen, aber
sie haben ihn vergessen. Die Deutschen ja auch. Armer Heinrich! Verblüht im
Schatten seines Bruders.
12:29 Die Abrechnung mit dem veröffentlichte Heinrich in Form eines Obelisken. Der
steht so am jenseitigen Seeufer, daß niemand ihn je übersehen kann. Gewidmet
ist er August Wilhelm, dem 1758 gestorbenen Bruder. Friedrich hatte ihm
militärisches Versagen vorgeworfen, und Heinrich baute ihm ein Ehrenmal. Ihm,
der an der Kränkung zu Grunde gegangen war, und einigen anderen Generalen
des Siebenjährigen Kriegs. Ein paar in Potsdam große Namen fehlen, und vor
allem fehlt – der König selbst.
13:04 „Aufmuckung war hier immer zu Hause, von Anfang an.“ So steht es in Fontanes
letztem großen Roman, Der Stechlin.
13:19 Im Park ließ Prinz Heinrich von Preußen sich eine kleine Pyramide als Grabmal
bauen. Als er starb, war bereits das 19. Jahrhundert angebrochen. Wie bei
seinem Violinisten Pitscher, so auch hier französische Zeilen:
„Wanderer! Bedenke, daß nichts vollkommen ist auf Erden. Und war ich nicht
der beste aller Menschen. So doch auch keiner von den Bösen. Lob und Tadel
berühren den nicht mehr. Der in der Ewigkeit ruht.“
Kein Wort von Gott, natürlich.
Schätze Brandenburgs, Mehr Schein als Sein – Das Neue Palais Potsdam, Kommentartext
10:00:30 Er nannte sich „Der Philosoph von Sanssouci“ und betrieb das Staatshandwerk „angeblich“ nur ungern.
00:39 Als Politiker war er zynisch und untreu und führte Krieg auf gut Glück.
00:45 Allerdings hat er, eben doch Philosoph, seine Taten nicht beschönigt. Welcher Potentat hätte je ein Schloß bauen lassen, um dann zu sagen, das Ding sei
reine „Fanfaronnade“ – Prahlerei?
01:16 Prahlerei, weil Friedrich mit diesem Prachtbau – 200 Räume, vier Festsäle, ein Theater – zeigen wollte, daß Preußen nach dem Siebenjährigen Krieg noch da
war. Mehr noch: daß Potsdam jetzt gleichauf war mit Petersburg, Paris, Wien
und London. Preußen, eine Großmacht in Europa. Dabei wäre Preußen doch
vermutlich zerhauen worden, wenn nicht in Rußland eine seiner Feindinnen,
Zarin Elisabeth plötzlich gestorben wäre. Sie war die letzte Herrscherin aus der
Romanow-Dynastie, und an ihre Stelle trat einer, der in Kiel geboren und ein
glühender Anhänger Friedrichs war. Peter III. war derart ein Fan des
Preußenkönigs, daß er die Seite wechselte und ein Bündnis schloß mit Friedrich
„dem Großen“. Auch das jedoch zeugt von Regierungskunst, daß Friedrich Fans
hatte an ausländischen Höfen.
02:09 „Wovon hangen doch die Angelegenheiten der Menschen ab.“
02:14 Friedrich am Ende seiner Geschichte des Siebenjährigen Krieges.
02:19 „So spielt das Glück; so spottet es der eitlen Klugheit der Menschen, und erhebt
die Hoffnungen der einen, um die Erwartungen der Andern zu stürzen!“
02:31 Zur Angeberei also und auch um die zahlreichen Angehörigen und Gäste unterzubringen, für die er in seinem „Weinberg-Lustschloss“ Sanssouci keinen
Platz hatte, ließ er 1763 ein neues Schloss bauen, übrigens hübsch weit weg,
ganz am entfernten Ende des Parks von Sanssouci.
02:40 Auf seiner – nennen wir es vorläufig Kuppel – stemmen drei Damen, der Welt
den Rücken zugewandt, die Preussenkrone hoch. Einem Hofgerücht zufolge
handelt es sich bei den drei Grazien um die Feindinnen im 7-jährigen Krieg,
denen Friedrich, wenn er sie schon nicht bezwungen, so doch immerhin
standgehalten hatte: Kaiserin Maria Theresia, die bereits erwähnte Zarin
Elisabeth und eine Frau, die die Phantasien der Epoche auf sich zog: Madame
Pompadour, Maitresse König Ludwigs XV.
04:19 Wir sehen die Damen eingerüstet – das Neue Palais ist ein schwieriger Palast,
hier wird immerzu gebaut und restauriert, und vieles ist nicht, was es zu sein
scheint. Die Kuppel, 55 m hoch, zum Beispiel, ist nur eine Scheinkuppel. Eine
echte, begehbare, mit einem Kuppelsaal darunter, das wäre zu teuer gewesen.
04:51 Daher nur eine Tonnenkonstruktion aus Balken, die auf das Dach aufgesetzt
wurde.
05:04 Man tut dem Großen Friedrich nicht unrecht, wenn man die bekannte preußische Losung „Mehr sein als scheinen!“ hier einmal umkehrt. Mehr Schein als Sein ist
die Parole dieses Prachtbaus. Und der Grund dafür war nicht die prekäre Lage Preußens nach dem Siebenjährigen Krieg.
05:29 Das Schloss war bereits vor dem Krieg geplant worden, und schon in der ersten Bauzeichnung von 1755 sehen wir die fragwürdige Kuppel.
05:39 Wenig später, 1756, kurz bevor der Krieg ausbrach, sind auch schon die drei Grazien da.
05:50 Das Neue Palais wird heute als besonderes Kleinod betrachtet, was es wohl vor allem der Tatsache verdankt, daß es von den Bomben des Zweiten Weltkriegs
und der Zerstörungswut der Nachkriegszeit, anders als die beiden
Stadtschlösser in Potsdam und Berlin, verschont blieb. Von Zeitgenossen und
späteren Kennern ist ihm nicht viel Gutes nachgesagt worden.
06:14 „Das Neue Palais – ganz aus Backsteinen von den grellsten Farben erbaut –
zeigte im Innern die größte, wenn auch nicht geschmackvollste Pracht.“
06:25 So urteilte der Schriftsteller Karl Eduard Vehse 1851 und ging noch bei seiner
Kritik dem Alten Fritzen auf den Leim. Greller Backstein – was hier leuchtet, ist
nicht Backstein, sondern bemalter Putz. Echte Klinkersteine wurden nur zu
Beginn verwendet, für Teile des Südflügels. Dann ging es billiger weiter. Mehr
Schein als Stein, möchte man kalauern.
06:54 Warum das eigentlich alles? Wen wollte Friedrich denn blenden? Und wie passt
das überhaupt zu unserem Bild von Preußen und dem Alten Fritz?
07:08 Einer von des Königs Verehrern, der Schriftsteller und Verleger Friedrich Nicolai,
hat eine frappierend moderne Erklärung parat: „Er (der Schlossbau) hatte
gewiss eine höhere Ursache, denn es kamen [große] Summen durch den Bau in
Umlauf, und dadurch wurden sehr viele Leute ernährt.“ [nicol. 177]
07:31 Das meinen heutige Europapolitiker, wenn sie von Wachstumsimpulsen
sprechen, nur daß sie heute keine Schlösser bauen, sondern z. B.
Autobahnbrücken.
07:51 Dem Palais gegenüber liegen die Communs, die ehemaligen
Wirtschaftsgebäude. Derzeit Baustelle.
08:34 Eine Büste Friedrichs in der Königswohnung im Neuen Palais. Mal heißt es, sie
sei aus dem Jahre 1770, mal, sie sei seiner Totenmaske nachgebildet. Er starb
1786.
08:49 Friedrich liebte seine Portraits nicht und hat keinem Maler je gesessen. Kein
Bild, das ihn zeigt, zu seinen Lebzeiten in einem der Schlösser.
09:11 Die Prachtsäle zu ebener Erde dürfen heutige Besucher nicht betreten. Nicht
weil die schönen Fußböden litten, sondern der Eichenkonstruktion wegen, auf
denen sie ruhen. Sie ist nicht stabil genug. Da wurde am Bau gespart.
09:31 Man bekommt eine Ahnung, welch ungeheure, geduldige, nie enden wollende
Arbeit es ist, dies alles, Park, Schlösser, Kunst, zu bewahren, sich gegen den
Strom der Zeit zu stemmen, der eigentlich alles mit sich reißen will.
09:51 Im Stockwerk darüber, in der Oberen Galerie, warme Farbtöne, Böden aus Weißbuche und Rosenholz, hängen sechs Gemälde von Guido Reni und Luca Giordano, zwei italienischen Meistern des 17. Jahrhunderts, und einer Meisterin: Artemisia Gentileschi.
10:12 Vielleicht waren das „die Nacktitüden“, die Kronprinz Friedrich Wilhelm, später Kaiser Friedrich III., „aus den Hauptssalons“ entfernte, als er 1859 mit seiner jungen, hübschen Gattin Victoria, Tochter der gleichnamigen englischen Königin,
in das Neue Palais einzog.
Nichts sollte ihren keuschen, viktorianischen Blick verletzen.
10:41 Victoria – er nannte sie Vicky – fiel es nicht ganz leicht, sich an den alten Kasten
zu gewöhnen. Überall wehte der Geist der vergangenen Tage, und es mussten moderne Dinge eingeführt werden.
10:56 Wasserleitungen gelegt, water closets eingebaut und Badewannen wie diese:
11:03 im Kleiderschrank mit Oberlicht.
11:07 Ferner ein Garten, der englischem Anspruch standhielt.
11:12 „Die Anlagen, die Frauchen in die Hand genommen, versprechen hier in der nächsten Umgebung des Neuen Palais reizend zu werden.“
11:23 Viele sagen, es hätte einiges anders kommen können in Preußen und
Deutschland, wenn Friedrich Wilhelms Vater, Wilhelm I. – „unser alter Kaiser
Wilhelm“ – nicht so lang gelebt und regiert hätte.
11:37 Denn Friedrich Wilhelm und die ihn dominierende Vicky hätten einen liberalen
Geist nach Deutschland gebracht. Als aber Friedrich Wilhelm die Thronfolge
antrat unter dem Namen Friedrich III., war er bereits schwer krank,
Kehlkopfkrebs, und konnte nicht mehr sprechen. Er war 99 Tage Kaiser, ehe er
starb, hier in diesem Zimmer.
12:13 Die Art, wie sein Sohn Wilhelm sein Erbe antrat, ließ nichts Gutes ahnen: noch während sein Vater im Sterben lag, ließ er das Palais von Soldaten umstellen. Er fürchtete, seine Mutter würde Staatspapiere außer Landes und nach England schmuggeln. Hätte Shakespeare diesen Machtwechsel erlebt, er hätte seine grausamen Königsdramen um eins vermehrt.
12:44 Der neue Kaiser, Wilhelm der Letzte, beanspruchte das Neue Palais nun für sich und seine Familie. Seine Mutter duldete er nicht mehr in Potsdam. Sie zog sich nach Kronberg im Taunus zurück, trug fortan schwarz und ließ sich Kaiserin Friedrich nennen.
13:05 Truppenappell auf dem Mopke genannten Platz zwischen Schloss und den Communs. Wilhelm glaubte, Deutschland werde unter seiner Herrschaft zu ungeahnter Größe und Macht aufsteigen.
13:45 Am jenseitigen, dem östlichen Ende des Parks von Sanssouci, neben der Friedenskirche, steht das Mausoleum, das Wilhelm II. für seinen Vater bauen
ließ. Es nimmt Bezug auf frühchristliche Bauwerke [in Italien], und das Mosaik in
seiner Kuppel lehnt sich stark an die alten Taufkapellen von Ravenna an.
14:27 Victoria wurde nach ihrem Tod 1901 hierher überführt und neben ihrem Mann bestattet. [Der Bildhauer] Reinhold Begas hat das Bild der Toten so gestaltet,
wie man sie von nun an sehen wollte: eine schöne, ewig junge Frau. Wer einen
Moment verweilt, hat den Eindruck, ihre Brust hebe sich, ihre Lippen wollten sich
bewegen.
14:52 Das Deutsche Kaiserreich bestand noch, ja, es plusterte sich enorm auf unter Wilhelm II., ehe es in Krieg und Revolution unterging. Und doch erliegt man hier dem Gefühl, daß eigentlich dies hier, dieses Mausoleum, sein Ende markiert und sein Grabmal ist. // 15:12
Schätze Brandenburgs, Kloster Chorin, Kommentartext
10:00:28 Am Rande der Schorfheide, eine gute Stunde mit dem Auto nördlich von Berlin,
steht in verträumter Seenlandschaft die weitläufige Ruine eines mächtigen
Klosters.
00:46 Generationen wirkten und gestalteten an diesem Ort: Zuerst die
Zisterziensermönche, die das Kloster bauten. Zuletzt Amtsleute und Künstler in
preussischen Diensten, die es als Ruine konservierten und mit einem Park
umgaben.
01:02 Solche Mauern, solche Gärten waren es, die den Greifswalder Maler Caspar
David Friedrich inspirierten und mit ihm die ganze Epoche der Romantik.
01:14 Der Hauch einer großen Vergangenheit.
01:19 Kloster Chorin: Nach Westen hin strahlt seine kühne Fassade ins Land, weithin
sichtbar, eines der Hauptwerke der norddeutschen Backsteingotik. Seit dem
Ende des 13. Jh steht sie hier, an der alten Heerstraße, und jedem, der
vorüberzog, bedeutete sie: Macht, Frömmigkeit und Zivilisation.
01:45 Hinter die Mauern sah niemand. Wer nicht zum Orden gehörte, dem blieb das
Kloster verschlossen. Wer es aber betrat, um Mönch zu werden, der nahm von
der Welt Abschied. Ohne Auftrag konnte er das Kloster nicht mehr verlassen.
02:10 Betritt man das Kloster durch das Torhaus, hat man zur Seite die ehemalige
Küche, wo an offenem Herd für alle Bewohner des Klosters, Mönche und
Laienbrüder, gekocht wurde. Aber die Mahlzeiten nahmen sie nicht gemeinsam
ein. Die Mönche blieben unter sich, aßen schweigend und tranken den ihnen
täglich zugeteilten Wein – sie schwiegen überhaupt beinah immer.
02:40 Die Laienbrüder, auch Konversen genannt, d. h. die Bekehrten, hatten ihr großes
Refektorium hier im Westflügel des Klosters. Sie waren Männer, die oft bereits in
der Mitte des Lebens standen, als sie ins Kloster gingen. Mönche, Chormönche,
konnten sie nicht werden. Durch den sogenannten Fürstensaal zogen sie in
ihren Teil der Kirche.
03:13 Den Kreuzgang betraten die Konversen nur an wenigen Feiertagen, denn er
gehörte zur Mönchsklausur. Der Kreuzgang ist das Innere des Inneren, und der
Punkt, der hier alle Aufmerksamkeit auf sich zog, ist das Brunnenhaus, von dem
nur ein aufgemauertes Fundament erhalten ist. In allen Zisterzienserklöstern
war das Brunnenhaus ein besonderer Ort, denn die Zisterzienser verstanden
mehr vom Wasser als irgendwer sonst im Mittelalter.
03:49 Die strenge Trennung der frommen Männer in Mönche und Konversen war im
Benediktinerkloster Hirsau im Schwarzwald erfunden worden, von dem eine der
großen Reformbewegungen des Mittelalters ausging. Reform bedeutete damals
meistens: Zurück zu den Buchstaben der Regel, härter der Alltag, mehr
Entbehrungen. Das schreckte niemanden ab, im Gegenteil. Jede
Erneuerungsbewegung brachte den Klöstern neuen Zulauf. Der Mensch strebt
immer wieder danach, sich dem Dienst an Höherem hinzugeben.
04:38 Die weißen Mönche – Das Sonnenlicht an der Wand ruft sie in Erinnerung. In
ihren weißen Kutten.
04:50 Typisch zisterziensisch sind die Konsolen, mit denen das Gewicht der
Gewölbebögen auf die Mauern abgeleitet wird.
05:00 Ihre Verzierungen – Fabeltiere und Rankenwerk – weisen weit in frühere,
vorchristliche Zeiten zurück. Mittelalterliche Kirchen tragen oft heidnischen
Schmuck.
05:15 An dieser Konsole erkennt man noch die Farbigkeit des 13. Jahrhunderts.
05:21 Nicht alle Konsolen sind mehr im Original erhalten; viele wurden noch im 20.
Jahrhundert – DDR – dem Zeitgeschmack entsprechend ersetzt. Sie sind mit
Vorsicht zu genießen: das war kein Mönch, der diese Eva formte, auch kein
preußischer Oberbaurat.
05:41 Dies alles, so weit das Auge reicht, gehörte dem Kloster. Die Satzung der
Zisterzienser bestimmt, daß Klöster nur in unbewohnten, abgelegenen
Landschaften gebaut werden dürfen.
05:59 Abgelegen ist die Choriner Gegend noch immer, unbewohnt war sie auch damals
nicht. Seit der Völkerwanderung siedelten slawische Stämme in Brandenburg,
und sie hatten hier ein letztes heidnisches Refugium im Heiligen Römischen
Reich. Aber es war nicht leicht, hier zu wohnen, denn die Gegend ist sumpfig.
Und Sümpfe waren gefürchtet im Mittelalter.
06:27 Die Mönche betraten die Kirche vom Kreuzgang her oder direkt aus ihrem
Schlafraum, der heute nicht mehr existiert.
06:40 Ihr erster Gottesdienst begann gegen zwei Uhr morgens, und den größten Teil
des Tags verbrachten sie in der Kirche.
06:55 Wenn sie nicht beteten, dann arbeiteten sie. Ora et labora – bete und arbeite.
Das war das ganze Leben. Freizeit, wie wir sie kennen, hatten sie nicht.
07:38 In der Kirche, während des Gottesdienstes, konnten Mönche und Laienbrüder
einander hören, aber nicht sehen, denn zwischen ihnen stand ein hohe
Chorschranke. Im Ostteil, beim Hochaltar, die Mönche, im Westteil, beim
Kreuzaltar, die Laienbrüder. Darüber erkennt man noch Reste der Empore, die
einst für die Fürstenfamilie eingebaut wurde. Das Kloster entstand durch eine
Schenkung des askanischen Herrscherhauses, das hier auch seine Grablege
hatte.
08:12 Der bekannteste der hier bestatteten Askanier ist wohl Otto IV., Otto mit dem
Pfeil. Wir sehen ihn hier beim Schach mit einer Dame, vermutlich seiner Gattin
Heilwig. Die Gräber jedoch sind verschwunden.
08:33 Glück hat, wem es gelingt, diesen großartigen Innenraum ohne Bestuhlung zu
sehen.
08:44 Heute finden hier regelmäßig Konzerte statt, große Attraktionen manchmal, die
Besucher kommen von weither, besonders im Sommer.
Ja, in unserer Zeit muß jeder tingeln und sein Geld einbringen, auch ein altes
Kloster, das Jahrhunderte claustrum war, d. h. für alle Welt verschlossen.
09:42 Das Klostergelände war einst größer als heute, und die Mühle lag innerhalb der
Umfriedung. Einst floß hier ein Bach. Sieben Öffnungen für sieben Mühlräder –
hier wurde nicht einfach nur Getreide gemahlen.
09:57 Diese Mühle war wohl eher ein Maschinenhaus, in dem verschiedene Arbeiten –
Mahlen, Hämmern, Walzen, Sägen – gleichzeitig verrichtet werden konnten. Die
Zisterzienser waren große Ingenieure; mit ihnen kam die technische Innovation.
10:22 Die weißen Mönche bei der Arbeit. Eine berühmte Altartafel aus dem
Zisterzienserkloster Maulbronn im Kraichgau, Südwestdeutschland.
10:41 Der Bach, auf den man zwischen Chorin und Brodowin stößt, heißt Nettelgraben
– Nesselgraben – und ist kein natürlicher Bachlauf, sondern ein 5 km langer
Kanal, den die Mönche gruben, um mehr Wasser in ihren Klostersee und auf ihre
Mühlen zu leiten.
11:31 Aber was der Mensch auch baut, es ist doch nichts von Dauer. Im 14.
Jahrhundert bereits erlosch die askanische Dynastie. Chorin überstand mit Mühe
und Geschick zwei weitere Jahrhunderte, erreichte das Zeitalter der Reformation
und ging darin unter. Nicht durch Glaubensstreitigkeiten, sondern weil der
Landesherr, der Hohenzoller Joachim II., die Zeit der Wirren nutzte, um das
Kloster an sich zu reißen.
Im Jahre 1542 wurde das Kloster säkularisiert, und der Kurfürst überließ Chorin
mit allen Ländereien seinem Amtmann von Kökeritz gegen 20000 Taler. Die
Zisterzienser waren fort, nun begann der langsame, Jahrhunderte dauernde
Verfall.
12:35 Vermutlich 1806 sah Karl Friedrich Schinkel auf der Reise von Berlin nach Stettin
das Kloster zum ersten Mal. Das Dach war abgetragen, die Gewölbe eingestürzt.
In der Kirchenruine wurde Schweine gehalten. Schinkel war damals 25, und
Preußen war, nach der Niederlage von Jena und Auerstedt, so gut wie verloren.
Napoleon zog in Berlin ein. Es war nicht die Zeit, sich um eine Klosterruine
Gedanken zu machen.
13:09 10 Jahre später jedoch, nach den Befreiungskriegen, schrieb Schinkel, nun
preußischer Geheimer Oberbaurat und Baumeister des Königs, eine engagierte
Note: „Bei der Seltenheit solcher Denkmäler wird die Erhaltung eines solchen zur Pflicht…“
13:26 Chorin steht daher, gemeinsam mit wenig anderem, am Beginn der preußischen
Denkmalpflege, und es wäre untergegangen, wenn sich Schinkel nicht so
entschieden für seinen Erhalt eingesetzt hätte: als malerische Ruine, die von
einer fernen Größe kündet.
Schätze Brandenburgs, Der Dom an der Havel (Brandenburg), Kommentartext
10:00:30 Alte Bücher üben einen seltsamen Zauber aus.
00:36 Alte Bibliotheken hüten das Wissen und Denken lang vergangener Zeiten.
00:51 Irgendwas zieht uns magisch an, obwohl – oder weil! – wir kaum noch lesen
und verstehen können, was zwischen den ledernen oder pergamentenen
Einbänden geschrieben steht.
01:04 Bibliotheken wie diese in Brandenburg an der Havel sind das Gedächtnis einer
versunkenen Welt.
01:20 Alte Bücher, gebunden in das Pergament noch älterer Bücher.
01:32 Blättern in einer Bibel.
01:38 Eine Bibel in deutscher Sprache, älter als die Übersetzung Martin Luthers.
01:58 Brandenburg duckt sich still und bescheiden in seinen Winkel, und manch ein
Weltstädter in Berlin weiß nicht einmal, in welcher Himmelsrichtung er nach ihm
suchen sollte. So vergeht der Ruhm der Welt. Denn Brandenburg war einmal die
bedeutendste Stadt Landes, das ja nicht zufällig ihren Namen trägt.
02:21 Überhaupt der Name! Der Streit darüber, ob er germanischen Ursprungs sei,
von Brandrodung kommt, oder vom slawischen „bronja“, Rüstung, Wehr,
bewegte die Gemüter verschiedener Jahrhunderte.
02:36 Früher brummte es hier vor Geschäftsideen und Unternehmergeist, es gab
Tüftler, Erfinder, Gründer, Industrie.
02:45 Alles Geschichte jetzt. Die Räder stehen still. In der Halle des Walzwerks ist ein
Industriemuseum. /02:52
03:05 Den ersten Dom, den Vorgänger des heutigen, ließ Otto I. bauen. Das war 948.
Otto war damals noch König, später Kaiser, Otto der Große, Gründer des
Heiligen Römischen Reichs. Im Domstift ist heute eine Schule untergebracht, die
Bibliothek, das Archiv und das Dommuseum. Ringsumher hübsche Häuser, in
denen einst die Domherren wohnten. /03:40
04:13 Petrus mit dem Schlüssel, der Himmelspförtner. Wie die meisten großen Kirchen
trägt der Dom Spuren aller Epochen. Begonnen hatte er als schlichte
romanische Basilika mit flacher Decke, und es wäre überwältigend, wenn man
ihn heute noch in diesem Zustand sehen könnte. Aber jede Zeit wollte das ihre
hinzutun, am Haus Gottes mitbauen und sich so verewigen.
04:48 Der Ausbau der Krypta fällt noch in die romanische Epoche. Ihre Säulenkapitelle
gehören zu den schönsten der Mark. Es sind Spolien, d. h. sie stammen nicht
von hier und haben eine unbekannte Vorgeschichte.
05:34 Der Böhmische Altar stammt aus dem 14. Jh. Eine kürzlich durchgeführte
dendrochronologische Untersuchung, das ist eine Untersuchung des Holzes und
seiner Jahresringe, hat seine böhmische Herkunft bestätigt. Vermutlich wurde er
in Prag gefertigt und ist ein Geschenk Kaiser Karls des Vierten, der dort
residierte. Kunst diente dem Kaiser zur Untermauerung territorialer Ambitionen.
1373 übernahm das Haus Luxemburg, dem Karl angehörte, die Kurwürde des
Fürstentums Brandenburg.
06:37 Das Museum betritt man vom Dom her. Unter dem Blick Friedrichs I. König in
Preußen, gestorben 1713, kann man sich hier über alte Urkunden beugen.
/06:49
06:53 Vor allem über diese: 948, Gründung des Bistums Brandenburg, mit der
Unterschrift Ottos des Großen.
07:02 Von eigener Hand führte er dabei nur einen Strich aus: die senkrechte
Verbindung der beiden Pfeilspitzen oder o´s in seinem Namen.
07:12 Wer genau hinschaut, erkennt, daß der Herrscher die Feder mit nicht ganz so
geübter Hand führte wie seine Schreiber und der Notar. Letzter unterzeichnete
mit seinem schicken Signet in Glockenform.
07:27 Des Königs Siegel ist verschwunden, und es wäre beruhigend, wenn man
sagen könnte: irgendwann im 12. Jahrhundert. Oder während des
Dreißigjährigen Kriegs.
07:40 Nein, es prangte bis ins vergangene Jahrhundert auf der Urkunde. Am Ende des
Zweiten Weltkriegs, nach der Eroberung Brandenburgs durch die Rote Armee,
fand man sie auf der Straße, ohne das Siegel.
07:58 Man kann den Brandenburgern wohl verzeihen, daß sie neben dieser Urkunde
ein zweite ausstellen, die ein paar hundert Jahre jünger ist. Genauer: aus dem
Jahre 1237. Da steht in winziger Schrift in Zeile 7 von unten ein Symeon, von
Beruf plebanus de Colonia, das heißt: Pfarrer aus Cölln. Da es sich um eine
regionale Urkunde handelt, ist Köln am Rhein nicht gemeint, sondern jenes
Cölln, das in Berlin aufging. Und dies ist also die erste urkundliche Erwähnung
der Stadt Berlin.
08:31 Ein Parvenü, der, arm aber sexy, nun auch schon in die Jahre gekommen ist.
08:47 In der Domklausur befand sich auch früher schon einmal eine Schule, die
Preußische Ritterakademie. Sie zog hier am Anfang des 18. Jh ein und wurde
1937, unter der Herrschaft Hitlers, aufgelöst. Das ist ein bemerkenswertes
Detail für alle, die den „preußischen Militarismus“ umstandslos mit dem
Nationalsozialismus gleichsetzen.
09:22 Im Eingang erinnert eine Gedenktafel an die 118 im Ersten Weltkrieg gefallenen
Schüler und vier ihrer Lehrer.
09:31 118, dabei sind auch ehemalige. Aber bei einer Schule, die maximal 150 Schüler
hatte.
09:39 All die preußischen Namen. Man ahnt, welche Wunden der Erste Weltkrieg dem
alten Preußen schlug. /09:48
10:02 In ihrem Kreuzgang passierten die Ritterschüler täglich eine Säule mit einem
antisemitischen Kapitell.
10:16 Unbekannt, was sie dabei dachten. Es ist die älteste, bei weitem nicht die
einzige Darstellung einer Judensau in Deutschland. Entstanden ist sie um 1230.
10:34 Man schämt sich heute bei ihrem Anblick, weil man weiß, was alles noch
geschehen sollte.
10:53 An der Domfassade ist, seit dem Umbau des 19. Jahrhunderts halbverdeckt, ein
großer Davidstern. Als der Dom gebaut wurde, war das Hexagramm noch kein
eindeutig jüdisches Symbol. Vielleicht bezeichnete es den alttestamentarischen
Messias. Vielleicht diente es der Abwehr von Geistern.
11:20 An sonnigen Nachmittagen senkt sich geradezu dörfliche Stille über die
Dominsel. Die Domdechanei war früher gleichzeitig Wohnhaus der Dompropste,
deren schneidigster Henri Auguste de la Motte Fouque war, General und
Vertrauter Friedrichs des Großen.
Er war ein Held seiner Zeit, aber wir denken bei dem Namen de la Motte Fouque
an einen anderen, seinen Enkel Friedrich, der hier geboren wurde. Vielmehr: an
eine andere, nämlich dessen Geschöpf Undine, die arme Seejungfrau.
/11:52
11:57 Friedrich war kein Held seiner Zeit, er war ein schon zu Lebzeiten fast
vergessener Dichter, aber heute ist immerhin die Stadtbibliothek nach ihm
benannt, die am Altstädtischen Markt liegt, unter den Augen des Brandenburger
Rolands.
12:15 Fouque hätte den resignierend-stolzen Satz eines späteren Schriftstellers auf
sich anwenden können: „Undine ist berühmt, nicht ich“. /12:23
12:34 Die Geschichte hat einen autobiographischen Hintergrund, aber auf die Idee,
die Geliebte in der Gestalt einer Nymphe zu verkörpern, kam er durch ein altes
Buch, „Liber de nymphis“ von Paracelsus. /12:46
12:54 Wir hätten es gern gefunden in der alten Bibliiothek.
13:04 Nein, dies ist es nicht. Aber es ist ähnlich, noch älter, ein Werk des
Universalgelehrten Albertus Magnus, der im 13. Jahrhundert lebte.
13:18 „Weibergeheimnuß.“
Fabelwesen, Heilkunde, Planeten – frühe Wissenschaft. /13:25
13:38 Alte Bücher üben einen seltsamen Zauber aus.